Volvolus und Torsion des Darmes

Ein Volvolus intestini bezeichnet die Verdrehung eines Teiles des Darmes um seine eigene Achse. Unter einer Torsio intestini hingegen versteht man die Verdrehung von Darmabschnitten um die Mesenterialwurzel (im Extremfall kann sich das ganze Darmkonvolut um die Mesenterialwurzel drehen). Die Termini Volvolus und Torsio werden jedoch oft undifferenziert verwendet.

Signalement des Patienten

Die Diagnose eines intestinalen Volvolus oder einer Torsion betrifft meist männliche, mittelgrosse bis grosse Hunde, die für Sport- und Arbeitseinsätze gezüchtet wurden. Deutsche Schäferhunde (in Verbindung mit einer Bauchspeicheldrüseninsuffizienz) und English Pointer scheinen prädisponiert zu sein. Bei kleinen Rassen ist ein intestinaler Volvolus oder eine Torsion eher unwahrscheinlich, da sie nur einen kurzen mesenterialen Aufhängeapparat (Mesenterialwurzel) besitzen.

Typische Vorgeschichte

In vielen Fällen gehen der Torsion eine mit viel Bewegung verbundene Aktivität, Futterumstellung oder ein Trauma voraus. Einige Tiere zeigen über mehrere Tage Krankheitssymptome; der Gesamtzustand verschlechtert sich dann plötzlich. Bei anderen führt die Krankheit in weniger als 6 Stunden zum Tod. Die Hunde können akute bis perakute Symptome aufweisen und zeigen meistens Schmerzen, Schocksymptome (hohe Herzfrequenz, blasse bis injizierte Schleimhäute, verlängerte kapillare Füllungszeit, schwacher Puls, fallende Körpertemperatur) und zum Teil ein leicht vergrössertes Abdomen.

Pathophysiologie

Der grösste Teil der Därme ist nur am Mesenterium im Bauchraum frei aufgehängt. Nur wenige Darmabschnitte sind mit zusätzlichen Bändern am Bauchfell oder an angrenzenden Organen fixiert, so dass das ganze Darmkonvolut insgesamt eine grosse Bewegungsfreiheit besitzt. Wenig Bauchfett und eine lange Mesenterialwurzel unterstützen ebenfalls die Bewegungsfreiheit des Darmkonvolutes. Bewegungen und physiologische Verdrehungen oder Biegungen des aufgehängten Darms treten infolge seiner physiologischen Aktivität und im Rahmen der normalen Peristaltik auf.

Der Darm kann sich um die Mesenterialwurzel (Torsio) oder um sich selbst (Volvolus) verdrehen. Durch das Verdrehen der Mesenterialwurzel werden sowohl der venöse Rückfluss als auch die arterielle Durchblutung stark eingeschränkt, was schnell lebensbedrohliche Vorgänge wie Gefässobstruktion, Endotoxämie, hypovolämischer Schock oder sogar kardiovaskuläres Kreislaufversagen nach sich zieht, an denen der Hund dann auch innerhalb weniger Stunden sterben kann.

Mögliche Therapie

Ob eine Therapie überhaupt möglich oder sinnvoll ist, hängt vom Schweregrad der Drehung (180° bis mehr als 360°) und von der Grösse des betroffenen Darmabschnittes ab. Eine Therapie des Schocks (Infusionen, Antibiotika mit oder ohne Kortikostereoide) ist für das Überleben essentiell, aber nicht kurativ. Eine schnelle Diagnose und ein sofortiger chirurgischer Eingriff sind für den Patienten überlebenswichtig.

Da die krankhaften Prozesse am Darm extrem schnell ablaufen können, ist es von entscheidender Bedeutung, wie schnell operiert werden kann. Da es aber sehr schwer möglich ist, ein Tier im Schockzustand schnell mit Infusionslösungen zu stabilisieren, haben die Patienten ein extrem hohes Narkoserisiko. Während der Operation wird der Darm in seine physiologische Lage zurück gedreht. Kurze Zeit später, wenn der Darm vollständig reperfundiert ist, wird seine Vitalität beurteilt und abhängig davon wird entschieden, ob ein Stück Darm herausgeschnitten werden muss; was ein weiteres grosses Risiko für den Patienten beherbergt, denn auch wenn er sich erholen würde, könnte er danach an einem "Kurzdarmsyndrom" leiden. Des weiteren ist die Reperfusion ein Prozess, bei welchem ein immenser Schaden am Gewebe entsteht, der ebenfalls zum Tode führen kann.

Die Mortalitätsrate dieser Operation wird mit bis zu 100% beschrieben, wobei es jedoch abhängig ist vom Schweregrad der Drehung (180° bis mehr als 360°), der Grösse des betroffenen Darmabschnittes und vom Verlauf der Symptome (wenige Stunden bis mehrere Tage).

Aus: Fossum, T. W., Hedlund, C. S. and Johnson, A. L. 2007. Small Animal Surgery. Mosby

© 2009/Sandra Bäckert